Menstruation
Menstruation ist ein stigmatisiertes und tabuisiertes Thema. Menstruationsbeschwerden werden oft nicht ernst genommen. Periodenarmut rückt zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Tabuthema Menstruation
Menstruation ist ein gesellschaftlich stigmatisiertes und tabuisiertes Thema. Dieser natürliche Prozess im weiblichen Körper wird häufig negativ gesehen, ja sogar als krankhaft betrachtet. Auf der anderen Seite werden Regelbeschwerden häufig nicht ernst genommen, was zu einer verspäteten Diagnose von Erkrankungen (z.B. Endometriose) führen kann.
Es gibt auch kaum Befragungsdaten zum Thema. So berichtet die HBSC-Studie z.B. zwar über Bauch- und Kopfschmerzen bei Mädchen, fragt aber nicht gesondert nach Menstruationsbeschwerden. Daten aus Deutschland zeigen, dass rund 84 % der Mädchen bis zum Alter von 13 Jahren die erste Regel (Menarche) erleben. Für Österreich oder die Steiermark gibt es dazu keine repräsentative Erhebung .
„Periode und Zyklus sind ein ganz normaler körperlicher Vorgang und vor allem eine monatliche Leistung, auf die wir stolz sein können. Kostenlose Periodenprodukte auf Toiletten sollten deshalb genau so selbstverständlich wie Klopapier sein. Und: Mit dem Zyklus gut leben zu können, ist wichtig für die Gesundheit. Hier müssen wir Forschungslücken schließen und allgemein mehr darüber sprechen!“ – Hanna Rohn, M. A., MA, Mitarbeiterin des Frauengesundheitszentrums Graz
Informationen zu Menstruation und Periode stehen auf der Website Gesund informiert bereit, auf der Seite des Frauengesundheitszentrums Graz sowie auf den Seiten erdbeerwoche.com und Ready for Red .
Menstruation im Rahmen der sexuellen Bildung
Die Menstruation wird derzeit in den österreichischen Schulbüchern wenig thematisiert. Beispielsweise wird im Lehrplan der AHS (1.-4. Klasse) im Bereich Biologie und Umweltkunde zwar beschrieben, dass Schüler*innen einen verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Körper lernen sollen, der Begriff Menstruation wird darin jedoch nur einmal angesprochen. Aus diesem Grund wurde von der Initiative „erdbeerwoche“ die digitale Lernplattform Ready for Red ins Leben gerufen, die physisches Anschauungs- und Lehrmaterial anbietet. Mit der Lernplattform werden Lehrkräfte dabei unterstützt, Jugendlichen die notwendigen Inhalte rund um das Thema Menstruation und Monatshygiene zu vermitteln .
Ergänzend zum Lehrplan bietet im schulischen Rahmen auch das Netzwerk Sexuelle Bildung Steiermark Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Weiters sind die Schulärzt*innen wichtige Ansprechpersonen, wenn es um den individuellen Umgang mit Menstruation oder Menstruationsbeschwerden geht .
Diagnosen in Zusammenhang mit Menstruation
Die Daten aus der Krankenhausentlassungsstatistik wurden im Hinblick auf Diagnosen analysiert, die in Zusammenhang mit Menstruation und Menstruationsbeschwerden stehen.
Im Folgenden werden die Bezeichnungen „Sonstige Menstruationsbeschwerden“ und „Zu starke Menstruation“ zur Einordnung der Diagnosen im Zusammenhang mit Menstruation verwendet. Die Bezeichnungen fassen jeweils ICD-10-Codes (Diagnosecodes) zusammen.
„Sonstige Menstruationsbeschwerden“
ICD-10 Code N. 91.0-91.5: Ausgebliebene, zu schwache oder zu seltene Menstruation (Primäre Amenorrhoe, Sekundäre Amenorrhoe, Amenorrhoe nicht näher bezeichnet, primäre Oligomenorrhoe, Sekundäre Oligomenorrhoe, Oligomenorrhoe nicht näher bezeichnet)
ICD-10 Code N.94.0-9: Schmerz und andere Zustände im Zusammenhang mit den weiblichen Genitalorganen und dem Menstruationszyklus (Mittelschmerz, Dyspareunie, Vaginismus, Prämenstruelle Beschwerden, Primäre Dysmenorrhoe, Sekundäre Dysmenorrhoe, nicht näher bezeichnete Dysmenorrhoe, weitere nicht näher bezeichnete, Zustände im Zusammenhang)
„Zu starke Menstruation“
ICD-10 Codes N.92.0-92.6: Zu starke, zu häufige oder unregelmäßige Menstruation (zu starke oder zu häufige Menstruation bei regelmäßigem Menstruationszyklus, zu starke oder zu häufige Menstruation bei unregelmäßigem Menstruationszyklus, Zu starke Menstruation im Pubertätsalter, Ovulationsblutung, Zu starke Blutung in der Prämenopause, sonstige näher bezeichnete unregelmäßige Menstruation, Unregelmäßige Menstruation nicht näher bezeichnet
Die Diagnosen, die unter „Sonstige Menstruationsbeschwerden“ zusammengefasst wurden, wurden im Jahr 2022 mit insgesamt 99 Fällen in der Steiermark (2,58 Diagnosestellungen je 10.000 Frauen in der Altersspanne zwischen Menarche und Menopause) verhältnismäßig selten gestellt. Im regionalen Vergleich sah man häufigere Diagnosestellungen bei Frauen in der westlichen und östlichen Obersteiermark. Nach Altersgruppen betrachtet, wurden diese Diagnosen vorrangig bis zum Alter von 50 Jahren gestellt.
Die Diagnose „Zu starke Menstruation“ wurde im Jahr 2022 in 729 Fällen (18,98 Fälle je 10.000 Frauen) gestellt. Über die Hälfte der Fälle (380 Fälle) entfiel auf die Altersgruppe der 40- bis 50-Jährigen. Der regionale Vergleich zeigt die häufigsten Diagnosestellungen je 10.000 Frauen in den Versorgungsregionen Liezen (24,49 Fälle) und Oststeiermark (23,63 Fälle), die wenigsten Diagnosen wurden bei Frauen in der Versorgungsregion Graz (14,03 Fälle) gestellt.
Abb. 766: Anteil der Frauen, bei denen Menstruationsbeschwerden diagnostiziert wurden, je 10.000 Einwohnerinnen. Eingeschränkt auf die Altersspanne zwischen Menarche und Menopause
nach steirischen Versorgungsregionen, Daten standardisiert nach Alter, 2022
MBDS; Berechnung EPIG GmbH
Veröffentlicht am 02.02.2024, Download von https://gesundheitsbericht-steiermark.at/
Abb. 475: Anzahl der Frauen, bei denen Menstruationsbeschwerden diagnostiziert wurden, je 10.000 Einwohnerinnen. Eingeschränkt auf die Altersspanne zwischen Menarche und Menopause
nach steirischen Versorgungsregionen, 2022
MBDS; Berechnung EPIG GmbH
Veröffentlicht am 02.02.2024, Download von https://gesundheitsbericht-steiermark.at/
Der Zeitverlauf zwischen 2017 und 2022 zeigt, dass es insgesamt – bis auf einige regionale Schwankungen und einen Rückgang im Jahr 2020 – kaum Veränderungen in der Häufigkeit der Vergabe der Diagnosen „Zu starke Menstruation“ und „Sonstige Menstruationsbeschwerden“ gab.
Abb. 476: Anzahl der Frauen, bei denen eine der jeweiligen Diagnosekategorien diagnostiziert wurde, je 10.000 Einwohnerinnen. Eingeschränkt auf die Altersspanne zwischen Menarche und Menopause
nach steirischen Versorgungsregionen, Daten standardisiert nach Alter, 2017-2022
MBDS; Berechnung EPIG GmbH
Veröffentlicht am 02.02.2024, Download von https://gesundheitsbericht-steiermark.at/
Hygiene und Sicherheit von Periodenartikeln
Menstruationsartikel sind Hygieneprodukte und werden gemäß § 3 Abs. 7 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) als Gegenstände beschrieben, die entweder äußerlich mit dem menschlichen Körper oder mit den Schleimhäuten in Berührung kommen zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck der Körperhygiene.
Das Projekt LEIFS arbeitet an der wissenschaftlichen Sicherheitsbewertung von Menstruationsprodukten. Die Ergebnisse sollen zur Entwicklung einer Teststrategie für die chemische und mikrobiologische Sicherheit und die Sicherheit in der Wiederaufbereitung der Produkte beitragen.
Periodenarmut – Menstruation ist nicht für alle gleich leistbar
In Österreich leidet jede dritte menstruierende Frau unter Periodenarmut. Damit ist der mangelnde Zugang zu Menstruationsprodukten, Hygiene, Hygieneeinrichtungen sowie zur Abfallentsorgung von Menstruationsprodukten gemeint . Das bedeutet unter anderem, dass Mädchen und Frauen sich aus finanziellen Gründen oftmals nur begrenzt Monatshygieneartikel leisten können oder sich in der Situation befinden, zwischen dem Kauf von Hygieneartikeln und anderen lebensnotwendigen Produkten abwägen zu müssen.
Laut einer Erhebung der Arbeiterkammer Salzburg und Niederösterreich geben Frauen im Lebensabschnitt zwischen Menarche und Menopause durchschnittlich etwa 2.600 Euro für Menstruationsartikel wie Tampons, Binden oder Slipeinlagen aus. Auch Berechnungen der Initiative „erdbeerwoche“ kommen auf ähnliche Ergebnisse. Dabei geht man von einem menstruierenden Zeitraum von ca. 40 Jahren und einer Anzahl von etwa 500 Perioden aus
.
Die Mehrwertsteuer von Menstruationsprodukten lag in Österreich bis Ende 2020 bei 20 %. Mit 1.1.2021 wurde der Steuersatz auf 10 % gesenkt, um für eine Entlastung zu sorgen. Diese Steuersenkung betrifft auch wiederverwendbare und nachhaltigere Menstruationsartikel, wie z.B. Menstruationstassen, Menstruationsschwämmchen, Stoffbinden oder Periodenunterhosen
. Steuerfrei sind diese Produkte europaweit bislang nur in Irland und England
, kostenlos zur Verfügung gestellt werden die Artikel bereits in Schottland
.
Dieser Lösungsansatz, Menstruationsprodukte kostenlos zur Verfügung zu stellen, wird teilweise bereits auch in Österreich umgesetzt. Beispielhaft können folgende Bundesländer genannt werden: Wien , Burgenland und Vorarlberg .
In der Steiermark wurde von März bis Mai 2023 ein Pilotprojekt mit Menstruationsboxen an Schulen durchgeführt.
Um einen positiven und selbstbestimmten Umgang mit der Menstruation zu fördern, hat der Gesundheitsfonds Steiermark im Rahmen eines Projekts 120 Menstruationsboxen mit kostenlosen Menstruationsprodukten an 20 steirische Schulen verteilt. Das Pilotprojekt lief von März bis Mai 2023. Die Boxen enthielten zudem Kärtchen mit einem QR-Code, der auf Informationen rund um das Thema Periode auf der Website „Gesund informiert“ verwies. Mädchen konnten sich – für den Fall des Bedarfs – Periodenartikel aus den Menstruationsboxen entnehmen und sollten, so der Grundgedanke, die entnommenen Produkte später selbst wieder auffüllen.
Das Projekt wurde begleitend evaluiert und die Ergebnisse zeigen, dass die Zurverfügungstellung von kostenlosen Menstruationsartikeln eine zielführende Maßnahme ist, um Periodenarmut entgegenzuwirken und die Menstruationsgesundheit zu fördern. Die Boxen wurden durchgängig gut angenommen, wobei das eigenständige Nachlegen entnommener Produkte in der Praxis nur teilweise umgesetzt wurde. Die Menstruationsboxen und das begleitende Angebot trugen zur Sensibilisierung und zur Enttabuisierung des Themas an den Schulen bei.
Im Rahmen einer Kooperation der Schulsozialarbeit der Caritas mit der Drogeriemarktkette dm werden in der Steiermark 66 Schulen mit Menstruationsartikeln versorgt .
Aktualisiert am 02.02.2024